Dominique Strauss-Kahns Verführung
30. September 2011

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Joan W. Scott, die sich auf die Geschichte Frankreichs und die Geschichte von Frauen spezialisiert hat, ist eine international angesehene Wissenschaftlerin, deren Arbeiten in viele Sprachen übersetzt wurden. Gegenstand ihrer Forschung ist die Frage nach Differenz in der Geschichte: ihre Funktion, ihre Formen, ihre Institutionalisierung und ihr historisch variabler Ort in sozialen und politischen Zusammenhängen. Scotts jüngste Bücher konzentrieren sich auf das umstrittene Verhältnis von Geschlechterzugehörigkeit und der universellen Wirkung demokratischer Politik. Besonders in ihrem letzten Buch „The Politics of the Veil” (Princeton, 2007) untersucht und kritisiert Joan W. Scott das Gesetz gegen religiöse Symbole in öffentlichen Schulen Frankreichs als Anzeichen einer Assimilationspolitik und als Paradoxon von Säkularismus und Aufklärung. In ihrem Vortrag an der Universität Konstanz wird Joan W. Scott anhand der Dominique Strauss-Kahn-Affäre auf diese Paradoxien eingehen. Prof. Scott war während der Strauss-Kahn-Debatte eine der meist zitierten Stimmen in der New York Times und in der Liberation.
Scotts Vortrag (in englischer Sprache) mit dem Titel „Seduction and French National Character: A Critical Analysis” zeichnet nach, wie die französischen Anhänger von Dominique Strauss-Kahn ihn sofort nach Bekanntwerden der Affäre in Schutz nahmen und seine Unschuld mit dem Verweis auf „Verführung“ beteuerten. Sie beriefen sich darauf, dass „Verführung“ als akzeptierte Form des französischen Nationalcharakters gelte, etwas, was die prüden Amerikaner einfach nicht verstünden.
Joan W. Scotts Vortrag, den sie vor den Ereignissen in Strauss-Kahns Hotelzimmer in New York verfasste, erläutert ihre so genannte „French Seduction Theory” – die Art und Weise, wie zumindest seit 1989 republikanische Ideologien darauf beharren, dass „Verführung“ ein elementarer Bestandteil des französischen Nationalcharakters sei. Im Kontext von gängigen Klischees von französischer Sinnlichkeit (verglichen mit amerikanischem Puritanismus) konstruierten diese Ideologien, so Scott, eine Vorstellung des „Französischen", die sich auch scharf von islamischer Kultur abhebe. Die „freizügigen” Sitten Frankreichs werden als natürlichere Art geschlechtlicher Beziehungen dargestellt; der Islam dagegen wird als unnatürliche Ablehnung menschlicher Sexualität dargestellt.
Der Vortrag untersucht die Widersprüche dieser Theorie, indem er argumentiert, dass sie sich letztlich nicht auf die Gleichberechtigung der Geschlechter oder auf die Emanzipation von Frauen beziehe, sondern eher bestehende Geschlechterhierarchien ebenso legitimiere wie die Dominanz der französischen Hegemonialkultur über die Kultur anderer Ethnien oder Religionen.
Hinweis an die Redaktionen
Der Vortrag findet statt am Dienstag, 11. Oktober 2011, um 19.15 Uhr im Senatssaal V 1001 der Universität Konstanz. Er wird eingeführt vom Dekan der Geisteswissenschaftlichen Sektion, Prof. Dr. Thomas Hinz, und von der Koordinatorin des Gender Studies-Studiengangs, Prof. Dr. Silvia Mergenthal. Die Moderation übernimmt Dr. Sara R. Farris, Research Fellow am Kulturwissenschaftlichen Kolleg der Universität Konstanz. Sie steht Ihnen zudem unter sara.farris[at]uni-konstanz.de, Tel.: +49 (0)7531 3630418, für weitere Fragen zur Verfügung und würde sich freuen, wenn Sie Ihre Teilnahme im Vorfeld ankündigen könnten.
Kontakt
Sigrid Elmer (Elternzeitvertretung für Claudia Marion Voigtmann)
Tel. 07531 88-4741
E-Mail sigrid.elmer[at]uni-konstanz.de